Symposium Photographic Materials: Archives and Tools
Symposium Photographic Materials: Archives and Tools
Aula der Kunsthochschule für Medien in Köln, Filzengraben 2, 50676 Köln
Die Konditionen der Fotografie haben sich mit der Digitalisierung einschneidend verändert. Neue Technologien erweitern die Möglichkeiten des Mediums und entgrenzen zugleich dessen strukturelle Eigenschaften. So entwickeln innovative Drucktechniken die flächig angelegte Fotografie hin zur raumbildenden Skulptur; photogrammetrische Anwendungen von Konzernen wie Google und Apple liefern uns 3-D-Repliken des öffentlichen Raumes für die satellitengestützte fotografische Erfassung des Stadtraums; fortgeschrittene CGI-Techniken (Computer Generated Imagery) machen mit der Kamera erzeugte und vom Computer errechnete Bilder voneinander ununterscheidbar; Augmented Reality verschmilzt physische Räume mit virtuell hergestellten Gegenständen auf dem Display des Handys und macht sie über Cloud Anker für zerstreute Nutzer zeitgleich erlebbar.
Digitale Tools wie Algorithmen greifen nicht nur in die Herstellung von Fotografien ein, sondern regulieren auch unseren Zugang zu bereits vorhandenen Bildbeständen. Entscheidend für die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit digitalisierter Fotoarchive sind etwa die Ordnungsstrukturen, die Bilder erst auffindbar machen und Verknüpfungen herstellen. Insbesondere kommerzielle Datenbanken setzen dabei zunehmend auf eine automatische Verschlagwortung, die auf der Basis algorithmisch operierender Bildsuchmaschinen funktioniert.
Vor diesem Hintergrund gewinnen künstlerische und kuratorische Strategien im Umgang mit Bildersammlungen an Bedeutung, indem sie beispielsweise neue Perspektiven auf vernachlässigte oder auch problematische Bildbestände erschließen und die Bedingungen fotografischer Bedeutungsproduktion im digitalen Zeitalter hinterfragen. Diese beiden Schauplätze zeitgenössischer fotografischer Materialität, die der Werkzeuge und die der Archive, wird das Symposium an zwei Tagen mit jeweils vier Beiträgen beleuchten.
Der Teil „Neue fotografische Werkzeuge?“ eröffnet mit einem Vortrag von Joël Vacheron, der anhand von Satellitenbildern des NASA JPL Computer Graphics Laboratory den paradigmatischen Shift zur Hybridität gegenwärtiger fotografischer Produktion erforscht. In Bezugnahme auf die Applikation Photo Mode, die „Fotografieren“ innerhalb fotorealistischer Computer Games ermöglicht, fragt Marco De Mutiis nach der Rolle, die der Spieler als Fotograf (photographerplayer) im globalen System der vernetzten Bildproduktion und distribution einnimmt. Ausgehend von ihrem Konzept der „Nonhuman Photography“ untersucht Joanna Zylinska den algorithmischen Aspekt von Wahrnehmung und Vorstellung quer zu Apparaten, Spezies und Zeitskalen, um unsere Auffassung der Bildproduktion in Zeitalter von Künstlicher Intelligenz herauszufordern. Am Beispiel der Arbeiten von Karina Nimmerfall, Aglaia Konrad und Anne Pöhlmann zeigt Lilian Haberer, wie Künstler mehr und mehr auf die (Re-)Materialisierung von Fotografien durch neue Stofflichkeiten, Strukturen und Displays fokussieren.
Der Teil „Archive der Zukunft/Zukunft der Archive“ beginnt mit einem Vortrag von Lucia Halder, die am Beispiel des Bildarchivs des Rautenstrauch-Joest-Museums die aktuellen Herausforderungen und Chancen im Umgang mit visuellen Inventaren ethnografischer Sammlungen beleuchtet. Sabine Folie erläutert kuratorische Praktiken im Umgang mit dem Valie-Export-Archiv. In einer Lecture Performance stellen Estelle Blaschke und Armin Linke ein gemeinsames Projekt vor, das Mikrofilm und Science Fiction, Fotoarchive und Datenbanken, Bildrechte und Kryptowährung zusammenbringt. Madhusree Dutta versucht, dem Umstand gerecht zu werden, dass von Archiven nicht bloß greifbare, stoffliche Gegebenheiten festgehalten werden. In die Zeitlichkeit der Archiv-Objekte gehen immer auch das Imaginäre, das Abwesende, die Geister und das Verlorene ein, also all das, was das kollektive Gedächtnis aufbewahrt.
Text: Susanne Holschbach
Gäste des Symposiums: Estelle Blaschke, Marco De Mutiis, Madhusree Dutta, Sabine Folie, Lilian Haberer, Lucia Halder, Armin Linke, Joël Vacheron, Joanna Zylinska
Konzeption und Organisation: Alex Grein, Beate Gütschow, Heide Häusler, Susanne Holschbach, Inga Schneider
Eine Kooperation der KHM mit der Internationalen Photoszene Köln und der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh)