Acht Behauptungen #4 — Our Great Expectations Remain Uncertain
Hermes Villena
Acht Behauptungen # 4
Our Great Expectations Remain Uncertain
Ein wesentlicher Teil der Ausstellung ist auf den ersten Blick unsichtbar: Hermes Villena hat die Stirnwand des Raumes so detailgetreu nachgebaut (inklusive Fußleiste und Decken-abkofferung), dass selbst Besuchern, die den Raum bereits kennen, nicht unbedingt auffällt, dass sie sich in einem um etwa 1,5 Meter ver-kürzten Raum befinden. Erst wenn der Betrach-ter die sanfte Kurve bemerkt, in der die Wand an der linken Raumseite endet, stellt sich eine lei-chte Irritation ein. Es gehört zu einem zentralen Moment der Ausstellung, dass geweckte Erwar-tungen nicht erfüllt werden, dass keine Erläu-terung oder gar Auflösung der dargestellten Situationen stattfindet. Auch die skulptural anmutenden, zentral auf einem roten Teppich platzierten und gestapelten Stahlrohrstuhl-Gestelle entziehen sich einer konkreten Deu-tung. Gemeinsam haben sie mit der eingezo-genen Wand, dass sie sehr elegant aussehen, aber augenscheinlich nutzlos sind: man kann auf diesen Stühlen nicht sitzen. Dass es sich um die Original-Stühle des Seminarraums handelt, von denen Villena die Sitzflächen und Rückenlehnen abschraubte, erfährt man nicht. Auch nicht, dass diese Stühle „Comeback“ heißen und eine heute erfolgreiche Neuauflage eines DDR-Stuhl Modells sind. Einen Hinweis hierauf erhält man nur über das Ausstellungsplakat, doch ist dies ebenfalls kryptisch und scheint mehr zu verbergen, als zu zeigen. Es ist die Rückseite eines Fotos, archivarisch beschriftet: „Stahlrohrstuhl ohne Armlehne“ heißt es, und am unteren Rand ein verwischter Stempel der „VEB Stahl- und Industriemöbelwerke“ in Stendal.
Beim dritten Element im Ausstellungsraum handelt es sich um ein Farbfoto in einem Leuchtkasten, welches ein amerikanisches Wohnmobil auf einem einsamen Highway fahrend zeigt, die Flüchtigkeit des Moments durch Bewegungsunschärfe betonend.
Auch in dieser Arbeit thematisiert Villena ein ungewöhnliches Verhältnis von Verbergen und Zeigen, indem er den Leuchtkasten an den Seiten offen lässt, so dass die LED-Leucht-streifen sichtbar sind. Das, was üblicherweise verborgen bleibt, wird hier so vom rein tech-nischen Bestandteil einer Arbeit zu einem visuell relevanten Element derselben. Was verborgen bleibt ist hingegen die Herkunft und Bedeutung der Fotografie – auch hier verweigert der Künst-ler die Erfüllung von Erwartungen und lässt die Betrachter in einem verunsichernden Zustand der Unklarheit zurück. Nimmt man den Ausstell-ungstitel ernst, so ist anzunehmen, dass dies genau das ist, was Hermes Villena beabsichtigt hat.
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