Eingreifen? Politics of Art
Fachseminar von Beate Gütschow
und Wiebke Elzel
donnerstags, 17 – 19 Uhr
Case – Projektraum der Fotografie,
Große Witschgasse 9–11
Im Projektraum der Fotografie finden in den nächsten zwei Semestern wieder Einzelausstellungen von Studierenden statt. Im Sommersemester sind drei Ausstellungen und im Wintersemester sechs Ausstellungen geplant. Die Reihe wird dieses Jahr einen thematischen Fokus erhalten: Politische Kunst, gibt es das? Ab wann agiert Kunst, und wie verhält sich dies für die künstlerische Fotografie? Gesellschaftliche Relevanz wird vielen künstlerischen Arbeiten oft schon fast inflationär in Ausstellungs- und Pressetexten bescheinigt. Im institutionellen
Rahmen werden soziale Konflikte und Missstände – wenn schon nicht änderbar – so doch zumindest ausgestellt. Kann man Systeme hinterfragen, ohne den von ihnen gesetzten Rahmen zu verlassen? Sind kritisch arbeitende Künstlerinnen Volontäre der Politik? Gibt es Situationen und Kontexte, in denen die künstlerische Stellungnahme unabdingbar ist? Die künstlerische Fotografie hat in diesem Feld eine besondere Rolle. Eine dokumentarische Praxis mag in das, was sie zeigt, mit dem Zeigen eingreifen, sie kann dabei aufklärerisch aber auch parasitär sein. Künstlerische Fotografie taucht aber auch zunehmend, nicht als künstlerische Setzung erkennbar, im Kontext von Aktionismus, Printmedien und Web auf. Was bedeutet der Verzicht auf den institutionellen Rahmen?
Für die Case-Ausstellungen sind Projekte gewünscht, die es wagen, zu agieren, jedoch auch Projekte, die die Möglichkeiten dieses Agierens in Frage stellen oder das Einmischen vollständig – als explizite Haltung – verweigern. Im beson-
deren Fokus steht hier das Medium Fotografie, mit seinen spezifischen Bedingungen und Unzulänglichkeiten, die Bertolt Brecht in den Schriften Versuche 1–12 treffend beschreibt: ›Die Lage wird dadurch so kompliziert, dass weniger denn je eine einfache ›Wiedergabe der Realität‹ etwas über die Realität aussagt. Eine Photographie der Kruppwerke oder der AEG ergibt beinahe nichts über diese Institute. Die eigentliche Realität ist ins Funktionale gerutscht. Die Verdinglichung der menschlichen Beziehungen, also etwa der Fabrik, gibt die letztere nicht mehr heraus.‹1 Ideen und Projekte können am Anfang des Semesters im Seminar oder in der Sprechstunde vorgestellt werden, im April und Mai werden neun Positionen für die Ausstellungsreihe ausgewählt. Es ist darüber hinaus möglich, sich als Gruppe oder als KünstlerInnenduo auf eine Ausstellung zu bewerben. Ebenso kann das Diplom als Case Ausstellung fungieren. Wir werden eine Exkursion nach Essen und Berlin unternehmen, um die KünstlerInnen Armin
Linke, Annette Kelm und Tobias Zielony in ihren Ateliers zu besuchen und unter den oben genannten Fokus zu befragen. Wir diskutieren die unten genannten Texte, besprechen die vorgeschlagenen Projekte und beschäftigen uns mit einzelnen Arbeiten der KünstlerInnen, die wir in den Ateliers besuchen werden. Regelmäßige Teilnahme ist bei diesem Seminar erforderlich und unbedingt einzurichten.
1/ Bertolt Brecht: Versuche 1–12, Heft 1–14, Neudruck der ersten Ausgabe, Frankfurt a. M. 1959, S. 260
Literatur:
Jacques Rancière: Das Unbehagen in der Ästhetik, Wien 2007
Michael Hirsch: Subversion und Widerstand. 10 Thesen über Kunst und Politik, Inaesthetik Nr. 1, Zürich 2009
Gast: Julika Rudelius, Künstlerin