Christoph Stec
Acht Behauptungen # 3
Geist formt Materie
Christoph Stec untersucht in seiner Arbeit „Geist formt Materie“ den Punkt, an dem wis-senschaftliche und künstlerische Arbeit aufeinander treffen. Er nimmt dabei die Rolle eines Experimentators und Forschers ein, der seinen Untersuchungsgegenstand und sein Vorgehen wie folgt beschreibt:
„Im Mittelpunkt steht der Versuch geistigen Phänomenen physikalisch auf den Grund zu gehen, um so das eigene spirituelle Weltbild zu hinterfragen. Die Arbeit versucht dabei mit wis-senschaftlichen Methoden eine zentrale spiri-tuelle Behauptung zu beweisen: Die Kraft des Geistes kann Materie beeinflussen. Im Rahmen der Forschungsarbeit werden in wiederholbaren Experimenten Wassertropfen getrocknet und deren Rückstände unter dem Dunkelfeldmikros-kop vergrößert und fotografiert. Diese soge-nannten Trocknungsbilder können anhand objektiver Merkmale miteinander verglichen werden. Jede Wassersorte hat eine individuelle mikroskopische Struktur, das heißt jeder Tropfen ist einzigartig, jedoch als Essenz seines Ursprungs erkennbar. Doch was sagt dies über das Wasser aus? Ist es möglich, dass vergang-ene physikalische Einflüsse, wie etwa die Schall-wellen von Musik, anhand des Abbildes eines einzelnen Tropfens sichtbar gemacht werden können? Hat Wasser somit ein Gedächtnis? Und können auf diese Weise sogar rein geistige Wir-kungen sichtbar gemacht werden? Beispiels-weise die Einflüsse von Gebet und Meditation?
Der Experimentator muss folglich mit seinen Gedanken und Emotionen als Parameter mit in die Versuche einbezogen werden. Dadurch wird nicht nur die wissenschaftliche Methodik, son-dern auch das Private offengelegt. Die Auswir-kungen des Forschungsprozesses auf den Men-schen, auf die künstlerische Arbeit und auf das eigene Weltbild werden sichtbar gemacht.“ (Christoph Stec)
Durch das Einbeziehen der eigenen Person, des „Autors“, als unsicheren und beeinflussbaren Faktor im Forschungsprozess zeigt Stec auf, dass diese individuelle Perspektive entschei-dend ist für Ansätze, die heutzutage unter dem Begriff der künstlerischen Forschung zusammen geführt werden.
Ebenfalls kennzeichnend ist, dass im Gegensatz zu einer wissenschaftlichen Arbeit die ästhe-tische Form eine der Forschungsfrage eben-bürtige Rolle spielt. Dies legt Stec insbesondere in der auf einen schwarzen Sockel projizierten Videoarbeit offen, in der, stark vergrößert und im Zeitraffer, der Trocknungsprozess eines Wasser-tropfens dokumentiert wird.
Auch die Anzahl und Hängung der Wassertropfen-Versuchsreihen ist eigens für den Ausstellungsraum Case konzipiert worden; die dichte Hängung auf den drei Ausstellungs-wänden – fast vom Boden bis zur Decke – im-pliziert auch eine fast manische Besessenheit. Vor der verhängten Fensterfront auf der vom Eingang linken Seite des Raumes installierte Stec eine große Tafel, auf der er die Entwicklung seines Versuchsaufbaus, sein Experimentieren mit unterschiedlichen Wasserarten, Tropfen-größen und Mikroskopen dokumentiert. Ge-schickt spielt Stec hier durch die Offenlegung seiner privaten Gedanken mit der Figur des Künstler-Forschers, der letztlich auch dann nicht scheitern kann, wenn er zu keinem mess-baren Ergebnis gelangt, denn er hat ja immer etwas: eine visuelle Form und eine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden.
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