Philipp Böll
Case Ausstellung im Rahmen der Photoszene Orte Rechter Gewalt
Auch im Rahmen seiner zweiten Einzelaus-stellung im Projektraum Case beschäftigt sich Philipp Böll mit rechter Gewalt, jedoch kon-zentriert sich Böll dieses Mal auf rechte Gewalt in Deutschland. Die Ausstellung basiert auf einem umfangreich angelegten fotografischen Projekt, das bis heute nicht abgeschlossen ist. Philipp Böll hat sich zur Aufgabe gemacht, alle Orte in Deutschland, an denen Menschen durch rechtsmotivierte Gewalt zu Tode gekommen sind, zu besuchen und fotografisch zu doku-mentieren. Er stützt sich bei der Auswahl der Taten auf das Ergebnis eines Recherchever-bundes von Berliner Tagesspiegel, Frankfurter Rundschau und Zeit Online. Dieser Verbund hat eine inoffizielle Statistik rechter Tötungsdelikte seit der Wiedervereinigung 1990 erstellt, welche bis heute ca. 170 Taten umfasst. Viele dieser Taten tauchen in den offiziellen Statistiken nicht auf, da die staatliche Stellen einen anderen Kriterienkatalog zur Definition von rechter Gewalt vorliegen haben. So wurden beispielsweise in der offiziellen Statistik Angriffe auf Obdachlose und Homosexuelle bis 2001 nicht als rechte Straftat gewertet. Bis heute hält die Diskussion um die Auswahlkriterien für die Erfassung einer politisch motivierten Straftat an.
Den fotografierten Tatorten fügt Philipp Böll eine nüchterne Beschreibung des Tathergangs und die dazugehörige juristische Aufarbeitung an. Nicht alle Tatorte lassen sich genau lokalisieren, deshalb unternimmt der Künstler mancherorts allenfalls eine fotografische Aufzeichnung der näheren Umgebung. Die angefügten Beschrei-bungen der Taten ermöglichen eine Projektion der Biografien und Charakterzüge der handelnden Personen in die vorgelegten visuellen Räume.
Philipp Böll wird mehr als zwei Jahre brauchen, um in alle Städte, Dörfer und Landstriche zu reisen, in denen es zu tödlicher Gewalt gegen Menschen gekommen ist, die von den Tätern als anders denkend identifiziert wurden. Sein zu-nächst vor allem von dokumentarischer Akribie und journalistischer Recherche geprägtes Pro-jekt verweist durch die Präsentation im Kunst-kontext auf die Vorgehensweise mancher Künst-ler, die über Jahre manisch an einer Idee arbei-ten oder einen absurden Plan möglichst lange verfolgen. Philip Bölls Vorhaben, alle Orte rech-ter Gewalt zu bereisen, ist in dieser Tradition durchaus performativ angelegt, denn man stellt sich den Künstler bei seinen unendlichen Auto-fahrten und dem eher mechanischen Fotogra-fieren lebhaft vor. Böll reist in diesem Groß-projekt als eine Art Vertreter eines libertären Teils der Gesellschaft in bezeugender Funktion durch Deutschland; vermutlich wird die Liste der Tatorte kontinuierlich weiter wachsen und Böll sein Projekt nicht abschließen können.
[BG]